mackiemesser@shishabar

Rezension (Darstellendes Spiel)

Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ gehört zu den erfolgreichsten Theaterstücken des 20. Jahrhunderts. Die Uraufführung fand 1928 im Berliner Theater am Schiffbauerdamm statt. Das Theaterstück beinhaltet Elemente der Opernparodie und spielt ursprünglich in der Londoner Unterwelt des 19. Jahrhunderts. Eine freie Inszenierung nach dieser Vorlage war am 30. Januar 2019 im Charlotte-Wolff-Kolleg zu sehen. Gegen 19 Uhr versammelten sich Kollegiat*innen und Lehrkräfte sowie zahlreiche weitere Zuschauer in der Aula. Es war soweit! Die Aufführung des Stückes, die vorab mehrere Wochen vom DS-Kurs unter Leitung von Frau Gronau eingeübt worden war, sollte nun beginnen. Voller Vorfreude wird es ganz still im Saal. Die Scheinwerfer richten ihr Licht auf die Bühne, wo nun das Stück beginnt.

Handlung

In dem Stück kommt es im Berliner Milieu zwischen dem Bettlerkönig Jonathan Peachum und dem allseits bekannten Gangsterboss Macheath alias Mackie Messer zum Machtkampf. Polly, die Tochter der Peachums, heiratet heimlich Mackie Messer, sodass die Peachums auf Rache aus sind. Da der elegant gekleidete Mackie Messer gute Beziehungen zum Polizeichef Jackie Brown pflegt, erscheint es den Peachums so, als sei es unmöglich, dem Gangster etwas nachweisen zu können. Jonathan Peachum verfügt aber ebenso wie Mackie Messer über genügend Einfluss, um diesen verhaften zu lassen. Polly Peachum muss daher ständig um die Freiheit ihres Geliebten bangen. Da es Mackie Messer mit Hilfe seiner heimlichen Geliebten Lucy schon einmal gelungen ist, aus dem Gefängnis zu entkommen, muss er am Ende zu einem außergewöhnlichen Trick greifen, um seine erneute Flucht zu bewerkstelligen. So lässt er sich vom alten Freund und Polizeichef Tiger Brown einen Wein geben, der zu Herzbeschwerden führt, aufgrund derer Mackie aus seiner Zelle verlegt wird. Diese Beschwerden überlebt Mackie Messer allerdings, da er zusätzlich einen Arzt involviert hat. So gelingt ihm erneut die Flucht. Da Mackie Messer aber offiziell für tot erklärt wurde, übernehmen Lucy und Polly gemeinsam dessen Gangsterbande und sein zwielichtiges Geschäft.

Fesselnde Darbietung

Mit diesem Stück wollte Bertolt Brecht die Verderbtheit und Korruptheit des Bürgertums darstellen. Verantwortlich machte er dafür die Gesetze des Kapitalismus. Mit einer eigens umgestalteten Version der Vorlage, die mit einer außerordentlich guten Musik- und Gesangseinlage präsentiert wurde, gelang es dem DS- Kurs, das Publikum in der Aula für ca. zwei Stunden zu fesseln. Dabei konnten die Darsteller*innen durch authentische Charakterdarstellungen überzeugen und mit ihrer im Berliner Jargon & Flair gehaltenen Darbietung für viel Spaß und Vergnügen bei den Zuschauenden sorgen. Beispielsweise wurden Szenen des Stücks in eine Shishabar verlegt.

Die Darsteller*innen

Kaj-Niklas Flohr und Nicole Furgani verkörperten mit viel Spielwitz das Ehepaar Peachum. Mackie Messer, der stets mit Eleganz daherkommt, wurde ersichtlich gern von Christopher Seifert gespielt. Sehr gelungen war außerdem die Darstellung der Tochter Polly durch Fedora Junghans, die nicht nur mit ihrer Leidenschaft zum darstellenden Spiel, sondern auch durch ihren großartigen Gesang die Zuschauer begeisterte. Auch der Polizeichef Tiger Brown, welcher von Karl Bollmann verkörpert wurde, kam mit seiner lässigen Art sehr gut beim Publikum an. Stefanie Nehls als Lucy Brown überzeugte in ihrer Rolle als ahnungslose Ehefrau und spätere Komplizin von Mackie Messer. Nadine Wittzack gab mit großer Leidenschaft für den Tanz die Spelunken-Jenny. Die Gangsterbande, gespielt von Daria Turbina, Alda Mondlane, Samira Ismail, Roman Bockmann und Liliana Conde Martinez, bestach durch ihren Sinn für Humor und ihre harten Methoden. Zuletzt wussten auch die Prostituierten, gespielt von Kim Nala Wahle, Vanessa Schäfer, nochmals Samira Ismail und Liliana Conde Martinez durch diverse Tanzeinlagen, Sexappeal und weibliche Eleganz das Publikum in ihren Bann zu ziehen.

Minutenlanger Applaus

Das Publikum in der Aula war begeistert vom vorgestellten Stück. Applaus und Jubel hielten viele Minuten an. Die Darsteller*innen kamen gemeinsam auf die Bühne, um jeweils ihre Rollen und ihre spektakuläre Vorstellung des Stücks feiern zu lassen. Im Anschluss bedankte sich die Schulleitung bei allen Darsteller*innen und Lehrkräften, die bei der Realisierung dieser Aufführung geholfen haben. Ein faszinierender Theaterabend fand so sein Ende, doch die Erinnerung daran bleibt. 


TEXT: Jascha Eckert (Ergänzungskurs Redaktionelles Schreiben) | BILDER: Stefanie Weigel

Zur Konzeption des Stücks (von Karl Bollmann)

Der am 10. Februar 1898 in Augsburg geborene Bertolt Brecht gilt als einer der einflussreichsten deutschen Dramatiker, Librettisten und Lyriker des 20. Jahrhunderts. Auch war Brecht der Begründer des epischen Theaters. Ziel des epischen Theaters war die Desillusionierung des Publikums. Die Scheinrealität eines Bühnenstücks sollte aufgebrochen werden, um den Zuschauern eine kritische Distanz zu dem, was sie sahen, zu ermöglichen. Dies wurde unter Anderem durch Lieder erreicht und dadurch, dass ein Sprecher vor jeder Szene kurz ankündigte, was nun in folgender Szene passieren würde. Auf diese Weise sollte ein „Verfremdungseffekt“ bewirkt werden.

Aktualisierungen und Schlussvariante

Auch die Dreigroschenoper fällt in das Genre des epischen Theaters. Bei unserer Aufführung haben wir uns allzumal der Lieder, wenn auch nicht aller, bedient. Auch haben wir die Handlung des Stücks aus dem London des 19. Jahrhunderts in unser modernes Berlin verlegt, sprich modernisiert. Da somit der Schluss, die beinahe ausgeführte Hinrichtung des Protagonisten, nicht mehr gepasst hätte, haben wir uns dazu entschieden, die Schlussszenen anzupassen. Anstatt dass Macheath alias Mackie Messer fast gehenkt wurde, nur um in letzter Sekunde durch einen Boten der Königin begnadigt sowie in den Adelsstand erhoben zu werden, haben wir uns dazu entschieden, dass er von seinem besten Freund, dem Polizeichef Tiger Brown, durch eine List befreit wird und beide am Ende durchbrennen, um zusammen in romantischer Absicht ein neues Leben zu beginnen. Polly und Lucy hingegen raufen sich in unserem Stück zusammen und schließen mit ihrer unglücklichen Liebe zu Mackie Messer ab, um sich daraufhin seiner Geschäfte zu bemächtigen.

Emanzipatorische Botschaft

Die ursprüngliche Intention Brechts, nämlich die Kritik an der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, tritt bei unserer Inszenierung etwas in den Hintergrund. So ist unsere Botschaft stärker emanzipatorischer Natur: Sämtliche Frauenrollen sind im Original, alten Rollenbildern entsprechend, über ihre Beziehungen zu Männern definiert. Polly und Lucy waren ursprünglich nur die naiven, aber nützlichen Liebschaften von Mackie Messer, zu nennen wären außerdem noch die Huren sowie die trunksüchtige Frau Peachum. Mit unserer Adaption wollten wir stattdessen darstellen, dass auch Frauen – unabhängig von Männern – Verantwortung und Führung übernehmen können.

Was den neuen Schluss mit Mac und Brown als Liebespaar anbelangt, so setzt er sich mit der Tatsache auseinander, dass wir immer noch keineswegs in einer Gesellschaft leben, in der Homosexualität allgemein toleriert und vor allem akzeptiert wird. Viele Betroffene wagen es zum Beispiel immer noch nicht, sich u.A. am Arbeitsplatz zu outen, da sie berufliche Nachteile fürchten. So ist es in unserem Stück Mackie Messer, der seinem Freund Tiger Brown durch die Blume deutlich macht, dass der skrupellose Gangsterboss eine Angst in sich trug, die er mit nichts betäuben konnte, um ihm daraufhin die Hand anzubieten, für eine Zukunft zusammen.

Einen allzu großen Bruch der Geschichte haben wir damit jedoch nicht provoziert. Die Rolle des bis zur Verzweiflung loyalen Brown hat unsere Schlussvariante einfach nahegelegt. Im Original leidet Brown schrecklich darunter, dass er Macheath zugunsten seiner Karriere verraten musste. In unserem Stück opfert er hingegen doch noch seine Stellung, um seinen besten Freund zu retten. „Weil die Liebe größer ist, als wenn der Hintern versohlt wird. “


TEXT: Karl Bollmann (Darstellendes Spiel)