Generalprobe

Bericht (Exkursion)

Gespannt stehen wir, 35 Kollegiat*innen aus den Musikkursen am CWK, am 25. Januar 2018 vor der Berliner Philharmonie und warten auf den Einlass zur öffentlichen Generalprobe des Orchesters. Auf dem Programm stehen heute die 6. Sinfonie von Anton Bruckner in A-Dur und das Klavierkonzert in a-Moll, op. 54, von Robert Schumann. Im Foyer werden wir ab 9:00 Uhr mit biographischen Anekdoten und akustischen Musikbeispielen von einer sehr gut informierten Musikwissenschaftlerin auf Bruckner und Schumann vorbereitet. Ein Oboist der Philharmoniker spielt uns auf seinem Instrument das wichtige Thema aus dem Klavierkonzert vor und einen Kanon Schumanns, der diesem Thema ähnelt. Wir erfahren, dass Schumann verschlüsselte Botschaften an seine spätere Ehefrau Clara komponierte, weil ihr Vater, Friedrich Wieck, die Beziehung seiner Tochter zu seinem Schüler Robert Schumann verboten hatte. Die Musikwissenschaftlerin erzählt uns außerdem von Schumanns vor Gericht erstrittener Heirat mit Clara Wieck und von Bruckners gescheitertem Versuch einer Eheschließung mit einer wesentlich jüngeren Frau.

Um 10:00 Uhr betreten wir dann den für seine optimale Akustik berühmten Großen Saal der Berliner Philharmonie. Der vielfach ausgezeichnete Dirigent Mariss Jansons begrüßt das Orchester mit einem guten Witz und geht sofort an die Probenarbeit. Statt die 6. Brucknersinfonie in A-Dur einfach durchzuspielen, übt er mit den Streichern eine Melodie vier Mal hintereinander und korrigiert sehr geduldig die Intonation. Jansons ist ein hochmusikalischer Dirigent, der keinerlei Ungenauigkeiten zulässt und die kammermusikalischen Feinheiten der großen sechsten Sinfonie von Bruckner feinsinnig erklingen lässt. Nun widmet er sich dem gigantischen Thema des ersten Satzes. Das klingt so massiv wie die Berge des Rosengartens in den Dolomiten aus der Sicht von oben. Allerdings ist Jansons Bruckner nicht vordergründig effektheischend, denn der Dirigent verzichtet auf überlautes klirrendes Blech. Die Berliner Philharmoniker imitieren stattdessen samtene, obertonreiche Orgelklänge mit wirklichem Tiefgang in die Seele des Hörers. Das ist das Geheimrezept dieser hochsensiblen Brucknerinterpretation Jansons.

Wir gehen, von Bruckner und Jansons völlig überwältigt, in die Pause und tauschen bei einem von der Philharmonie gespendeten Getränk unsere Höreindrücke aus. Im zweiten Teil der Probe folgt dann das legendäre Schumann Klavierkonzert in a-Moll, op. 54, das als musikalisches Dokument der Liebe zwischen Robert und Clara Schumann gilt. Der russische Pianist Daniil Trifonov, Jahrgang 1991, könnte altersmäßig einer von uns sein und spielt sich gerade am Flügel warm, als wir den Saal wieder betreten. Versunken in sein Klavierspiel, scheint er uns gar nicht zu bemerken. Stattdessen zieht er uns ab dem Beginn des 1. Themas mit leisen, zarten und langsamen Klavierklängen in seinen musikalischen Bann. Den letzten Satz nimmt er hingegen sehr schnell, mit exzellenter Technik der gebrochenen Akkorde und einem völlig mühelos wirkenden Leggierospiel.

Begeistert verlassen wir gegen 14:00 Uhr die Berliner Philharmonie. Mit Freikarten für die Digital Concert Hall, die wir von unserer Betreuerin erhalten haben, können wir uns am nächsten Abend um 19:00 Uhr im Live Stream anmelden und das Konzert kostenlos noch einmal hören. So danken wir den Berliner Philharmonikern, dem Stardirigenten Mariss Jansons und dem berührenden Pianisten Daniil Trifonov dafür, dass wir diesen musikalisch intensiven Eindruck erfahren durften. Wir bedanken uns außerdem bei unserer Dozentin, Frau Zwiener, für diesen faszinierenden Schultag am Charlotte-Wolff-Kolleg und freuen uns schon auf die nächste Exkursion.

Text und Bilder: Kollegiat*innen der Kurse für Musik am Charlotte-Wolff-Kolleg